Mittwoch, 31. Mai 2017

An Sgùrr, Insel Eigg

MV Sheerwater im Hafen Airsaig, Insel Eigg im Hintergrund Völlig trockene, sonnige Tage sind an der schottischen Westküste Ausnahmen. Heute ist so ein Tag, den wir mit einem Ausflug zur Insel Eigg feiern, eine der 'Small Isles' der Inselgruppe Innere Hebriden.(1) Angelockt hat uns der An Sgùrr bzw. dessen von Einheimischen als 'The Nose' bezeichneter markanter Gipfel. Das Nasen-Bild ist nachvollziehbar, uns erinnert der Gipfel jedoch an den Shiprock in der Four-Corners-Region des Colorado Plateaus.(2) Mit 397m Höhe ist der An Sgùrr zwar eher ein Hügel als ein Berg, aber Bedingungen und Anforderungen einer Besteigung sind nicht mit Spaziergängen im Mittelgebirge vergleichbar, sondern mit alpinem (Klein-) Format.
Im Linienverkehr sind die kleinen inneren Hebrideninseln via CalMac-Fährverkehr ab Maillag oder von Ende April bis Mitte September mit der MV Sheerwater ab Arisaig zu erreichen. Wir entscheiden uns für die Variante ab Arisaig, die uns 5 Stunden Zeit für den An Sgùrr lässt.(3) - Fotogalerie Insel Eigg

An Sgùrr, Insel Eigg Glücklicherweise haben wir 2 Plätze auf dem vermutlich ausgebuchten Boot reserviert. Passagiere des Bootes sind zu etwa 1/3 friedliche Senioren. Eine Majorität bilden Familien mit Kindern im Vorschulalter. Sie mutieren das Boot während der Überfahrt hemmungs- und rücksichtslos zum Narrenschiff eines Kinder-Bespaßungsprogramms. Bei Ankunft auf Eigg sind wir froh, das Boot endlich verlassen zu können. In der Gewissheit, dass die zahlreichen Families andere Wege gehen werden, entfernen wir uns schnell vom Schauplatz am Hafen Galmisdale in Richtung An Sgùrr. Aus der Seniorengruppe folgen uns insgesamt 10 Personen, die jedoch langsamer sind und denen wir darum erst auf unserem Abstieg begegnen.




Wollgras am An Sgùrr auf der Insel Eigg Die Wanderroute haben wir uns im Portal Walkhighlands angeschaut und eingeprägt: The Sgurr of Eigg (engl.), aber sie erfordert dennoch Intuition. Nach dem Passieren einer Farm weist lediglich ein Cairn (eine Landmarke aus aufgehäuften Steinen) zu Steigspuren im ansteigenden Heidegelände. Wegweiser und präparierte Wege sind nicht vorgesehen. Allmählich erschließt sich uns, dass ein mitunter zu erkennender blasser roter Punkt die Route im überwiegend weglosen Gelände markiert.
Der Anstieg führt östlich des Gipfels auf ein sumpfiges Hochmoor-Plateau mit großen Wollgrasfeldern und von dort in einer fast 180 Grad beschreibenden Kehre auf den Gipfel. Im Gelände des Hochmoors verlaufen vermutlich aufgrund wechselnder Bedingungen mehrere uneindeutlge Spuren, so dass auf Sicht zu gehen ist.



Anstieg An Sgùrr auf der Insel Eigg Am südlichen Ende des Felsaufbaus beginnt ein stufiger Anstieg in einer erodierten Gesteinsrinne, die auf ein festes Felsplateau führt. Spuren folgend, erreichen wir die relativ steile, Vorsicht erfordernde nächste Felsstufe, die sich als schwierigste Passage der Route erweist. Unschwierige Felsstufen folgen, bis wir unvermittelt nur wenige Meter über uns das Gipfelplateau erkennen. Eine Triangulationssäule besetzt den höchsten Punkt.







Gipfel An Sgùrr, Insel Eigg (Insel Rùm im Hintergrund)Gipfel An Sgùrr, Insel Eigg (Insel Rùm im Hintergrund) Nach 1:30 Std. Anstieg ist der heute fast windstille Gipfel erreicht. Bei einer sonnigen Rast genießen wir 360-Grad-Sicht auf Eigg sowie Aussichten auf die Westküste und auf Inseln der näheren Umgebung. Die Fernsicht ist jedoch nicht so gut wie erhofft. Mehr als 1,5 kg Superzoom sind heute lediglich nutzloser Ballast im Rucksack.



Pub der Insel Eigg Der Abstieg erfordert 1:25 Std.. 1,5 Std. Wartezeit bis zur Rückfahrt überbrücken wir mit einem Inselspaziergang und einer Einkehr im Hafen-Pub. 
Die Rückfahrt auf dem Narrenschiff verläuft deutlich ruhiger als die Hinfahrt, weil Erschöpfung das Bespaßungsprogramm der Anreise verdrängt.








Anmerkungen
  1. Nachdem die Insel Eigg wie etliche andere Regionen im westlichen Schottland nach den sog. Highland Clearances über Jahrhunderte mehr oder weniger unbewohnt war, erlangte die relativ bedeutungslose Insel 1997 internationale Aufmerksamkeit.
    • Englische und schottische 'Landlords' betrieben im 18. und 19. Jahrhundert die brutale Vertreibung, Deportierung (nach Nordamerika und Australien) und Ermordung ansässiger Bevölkerung, um eigenen Profit mit flächendeckender Schafzucht zu optimieren. Gälisch sprechende Hochländer galten in der dominierenden öffentlichen Wahrnehmung als zu beseitigendes minderwertiges Ungeziefer, für dessen Interessen sich keine Hand rührte. Die Lage änderte sich erst, nachdem profitable Geschäfte mit Schafzucht nicht mehr zu erzielen waren. Zurück blieben Ruinen in von Schafen kahl gefressenen baumlosen Landschaften. (Derartige erschütternden Sachverhalte sind Deutschen nicht unbekannt, aber sie sind kein Privileg deutscher Kultur.) 
    • Ein englischer Geschäftsmann kaufte die relativ wertlose Insel Eigg und bewarb sie als einen Platz, an dem engagierte junge Menschen ihre Selbstverwirklichung erproben konnten. Auf der Insel siedelte sich eine Hippie-Kommune an, die nach einer Reihe erfolgloser Versuche die Insel schließlich 1997 aufkaufte und die "freie Volksrepublik Eigg" ausrief. (Bericht von Hannelore Hippe im Deutschlandfunk, 19.08.2014: Auf Eierschalen balancieren: Die schottische Volksrepublik Eigg)    
  2. Ebenso wie der Shiprock ist der An Sgùrr ein Inselberg und ein erodiertes Zeugnis Jahrmillionen zurückliegender vulkanischer Ereignisse. Der Gipfel des An Sgùrr besteht aus Pechstein, eine spezielle Lava-Art, die sich unter bis heute nicht vollständig verstandenen Begingungen bildet. Ehemalige Vulkane, deren Kerne die heutige Insel Rùm bilden, warfen riesige Mengen Lava aus, die ein Flußtal nach Süden lenkte. Erosion isolierte den harten Pechsteinkern von weicheren Sedimenten der Umgebung und formte den Inselberg Eigg. - Rum And The Small Isles, A Landscape Fashened By Geology (PDF, engl.)
  3. GBP 18,-- pP für Hin- und Rückfahrt mit der MV Sheerwater über 10 Meilen mit jeweils ca. einer Stunde Dauer

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